„Beter Leven“ soll auch die Zukunft sein

Arjan Meekhof

02 Juli 2024

Familie Kaptein mästet in Itterbeck (Niedersachsen) langsam wachsende Hähnchen für das niederländische „Beter Leven“-Programm. Sehr gut eingebunden in die Produktionskette, sehen sie darin auch ihre Zukunft. Ob sie allerdings den dafür bald nötigen Wintergarten an ihren Ställen anbauen können, ist fraglich.

Familie Kaptein sieht sich mit ihrem landwirtschaftlichen Betrieb in Itterbeck unweit der Grenze zu den Niederlanden sehr gut aufgestellt: Daniel und Imke Kaptein haben ihn von Daniels Eltern Johanna und Jan übernommen – die aber noch fest eingebunden sind in die betrieblichen Abläufe.

Auf 100 ha, überwiegend sandigen Böden, werden Industriekartoffeln, Zuckerrüben und Mais angebaut. Außerdem ist die Saatgutvermehrung von Raps wichtiger Teil der Fruchtfolge. Weiteres Hauptstandbein des Familienbetriebs ist die Hähnchenmast in zwei Ställen für das niederländische Programm „Beter Leven“, 1 Stern.

Das Programm schreibt eigentlich einen überdachten Wintergarten vor. Mit einer Übergangsfrist bis 2027 dürfen Hähnchenmäster derzeit noch ohne Wintergarten in das Programm liefern. Kapteins Problem: Trotz deutlich reduzierter Besatzdichte und damit deutlich weniger Tieren in den beiden Ställen haben sie bisher keine Baugenehmigung für die Wintergärten bekommen.

Zwei Hähnchenställe in den 90er Jahren gebaut

Den Grundstein für die Hähnchenmast hat Daniels Vater Mitte der 90er Jahre gelegt. Damals baute er einen Stall mit 34.500 Plätzen, 1998 kam ein zweiter Stall gleicher Größe und Bauweise dazu. „Wir leben nur wenige Kilometer entfernt von der Grenze zu den Niederlanden. Hier gibt es schon immer viel Austausch in beide Richtungen“, erzählt Jan Kaptein. So befindet sich nicht nur die Landmaschinenwerkstatt jenseits der Grenze, neben den Zuckerrüben gehen auch die Masthähnchen schon immer in die Niederlande. 

Jan Kaptein mästete für die Schlachterei Storteboom zu Beginn in Mittelmast mit Vorfangen. Auch sein Partner für den Küken und das Futter kam von Anfang an aus dem Nachbarland: Futtermittelhersteller de Heus. Das Familienunternehmen ist in 75 Ländern tätig und gehört zu den größten Futtermittelunternehmen weltweit.

Küken und Futtermittel aus einer Hand

Im Masthähnchenbereich hat de Heus seit fast 40 Jahren die Rolle eines Integrators übernommen und organisiert sowohl den Küken, die Einstallungsplanung, Transporte als auch die Hähnchenvermarktung.

In den Niederlanden kam schon früher als in Deutschland das Thema „Tierwohl“ auf. So stiegen auch Hähnchenmäster in Deutschland in niederländische Tierwohl-Programme ein. Bei Kapteins war es zunächst das Programm „Nieuw Standard Kip“ der niederländischen Supermarktkette „Jumbo“. 

In den Niederlanden ging man 2007 hin zum einheitlichen branchenübergreifenden Standard „Beter Leven“, wie Berater Arjan Meekhof von de Heus erzählt: „Das ist für Verbraucher einfach nachzuvollziehen. ‚Beter Leven‘ kennt jeder, es gibt Kriterien für fast alle Nutztiere, das Logo findet sich entsprechend auf den Verpackungen für Fleisch, Eier und Milchprodukte.“

„Beter Leven“ 1 Stern sehr weit verbreitet

Beter Leven hat drei Stufen (1-3 Sterne), am meisten verbreitet ist die erste Stufe 1 Stern. Von den niederländischen Hähnchenmästern mästet knapp die Hälfte nach diesen Vorgaben. Auch Familie Kaptein liefert seit 2022 für „Beter Leven“, 1 Stern, und ist damit überaus zufrieden: „Die Durchgänge laufen sehr ruhig. Die Besatzdichte liegt bei maximal 25 kg/m², vorgeschrieben sind langsam wachsende Herkünfte. Wir mästen Hubbard JA757, diese Küken sind zugelassen in das Beter Leven Programm, zudem sind Strohballen und ein Mindestschlachtalter von 56 Tagen vorgeschrieben“, informiert Daniel Kaptein. Ein weiteres Kriterium ist, dass 3 Prozent der Stallgrundfläche als Tageslichtöffnungen vorhanden sein müssen. Hierfür wurden in beiden Stalldächern nachträglich Lichtbänder eingebaut.

Gutes Energiespar-Konzept umgesetzt

Die Hähnchenmast ist bekanntlich sehr energieintensiv, für Tierwohlställe mit niedrigem Besatz gilt das verstärkt. Dieses Thema sieht Familie Kaptein sehr entspannt: Vor drei Jahren wurde eine 300-kW-PV-Anlage auf den Stalldächern installiert, ergänzt durch einen 72 kW-Speicher. Die Energiekosten konnten dadurch deutlich reduziert werden. Weiterer Baustein sind die beiden Wärmetauscher: „Hierdurch allein spare ich schon fast die Hälfte an Energie beim Heizen“, weiß Daniel Kaptein. In diesem Sinne wurden vor ein paar Monate auch die Außenwände der beiden Ställe von innen neu isoliert.

Im letzten Durchgang erreichte Kaptein bei 56 Masttagen einem Endgewicht von 2.670 g eine Futterverwertung von 1:1,92 bei 1,5 Prozent Verlusten. „Das sind wirklich gute Ergebnisse“, bestätigt Arjan Meekhof, der den Betrieb Kaptein seit vielen Jahren begleitet. Eingesetzt wird krümeliges Futter: „Die Tiere sind dann länger mit Fressen beschäftigt, das ist gut gerade bei den langsam wachsenden Rassen.“ Viele seiner Kunden mischen in diesem Sinn eigenen Weizen, Mais oder auch CCM zu.

Wichtig für den guten Start der Küken: Das Futter wird anfangs zusätzlich auf dem Boden auf sogenannten Picknickplätzen angeboten. „Das wird sehr gut angenommen“, weiß Arjan Meekhof auch von anderen Betrieben.

Laufend im Austausch: Daniel Kaptein (l.) und sein Berater Arjan Meekhof.

Keine Baugenehmigung für Anbau von Wintergärten

Wie erwähnt, ist bei „Beter Leven“, 1 Stern, künftig ein überdachter Wintergarten mit 20 Prozent der Stallfläche vorgeschrieben. Auch Kapteins haben versucht, für die Wintergärten eine Baugenehmigung zu bekommen, bislang ohne Erfolg: „Unsere beiden Ställe haben eine Genehmigung für knapp 70.000 Tiere, wir halten bei ‚Beter Leven‘ nur 26.000 Tiere Trotzdem bekommen wir keine Genehmigung für den Umbau.“

Hintergrund ist, dass das Privileg, im Außenbereich zu bauen, vor einigen Jahren für gewerbliche Tierhaltungen abgeschafft wurde. Für Schweinehaltungen ist diese Neuregelung wieder gekippt für Tierwohl-Umbauten. Kapteins ärgern sich, dass das für Geflügelhaltungen nicht gilt: „Wir sollen doch auch mehr Tierwohl umsetzen, können es aber gar nicht.“ Noch haben sie die Hoffnung aber nicht aufgegeben, dass sich die Baugesetzgebung auch für Geflügelställe ändert.  

Verträge für fünf Jahre und garantierter Rohgewinn

Viele Geflügel-, aber auch Schweinehalter liebäugeln mit Tierwohl-Programmen, das Risiko für die teilweise teuren Umbauten tragen in der Regel sie selbst. Die besondere Philosophie von de Heus ist für Masthähnchenhalter ein 5-Jahres-Vertrag – mit einem garantierten Mindest-Rohgewinn (=Ertrag minus Küken- und Futterkosten).

Dieses Konzept finden Kapteins sehr gut: „Das gibt Sicherheit und sollte die Entscheidung erleichtern“, bekräftigt Daniel Kaptein. Er sieht hierzulande die Politik dringendst in der Verpflichtung, Umbauten für mehr Tierwohl auch für Geflügelhaltungen zu ermöglichen: „Geflügelfleisch ist nachhaltig und beliebt, warum werden uns Steine in den Weg gelegt?“ fragt er zurecht.  

Besonderer Betriebszweig: „Futterkrippe“ an der Grenze

Nicht unerwähnt bleiben sollte noch der besondere Betriebszweig, den Senior Jan Kaptein „nebenbei“ aufgebaut hat: In seinem Wohnort Itterbeck betreibt er zusammen mit einem Freund einen Schnellimbiss neben einer Tankstelle, die „Futterkrippe“. Nach einem zwischenzeitlichen Neubau wird dort heute mit 70 Mitarbeitern sieben Tage die Woche gearbeitet. Der Austausch über die Grenze funktioniert auch hier: Sehr viele Niederländer kommen über die nahe Grenze, um günstig zu tanken, Zigaretten einzukaufen oder eben Chicken Nuggets oder Hähnchenschnitzel in der „Futterkrippe“ zu genießen. Neben den Hähnchenfleisch-Leckereien gehen hier pro Jahr 50.000 Schweineschnitzel und 35 Tonnen Pommes über den Tresen, freut sich Jan Kaptein.   

Arjan Meekhof

Berater für Broiler

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